DIE HÜLBENER TROPFSTEINHÖHLE 7422/106

 Gesamtlänge: 82 m Tiefe: 20 m Einstiegshöhe: 697 mNN Gestein: ki 2, inaktiv

 

Besichtigungen: Der Abstieg in den 5m tiefen Einstiegsschacht erfolgt auf eigene Gefahr. Bei Bedarf kann auch mit dem Seil gesichert werden. Da die Höhle normalerweise nicht beleuchtet ist, empfiehlt sich die Mitnahme einer Lampe, Handschuhe sind empfehlenswert. Die Voraussetzungen zum Fotografieren sind optimal.


Biologie: Im hinteren Bereich des Tropfsteinbergs wurden folgende eingeschwemmte rezente Relikte vorgefunden: 1 Fledermausskelett, 1eingesinterter Knochen (Siehe Bild 1), mehrere Kleinsäugerknochen. Die Knochenreste wurden fotografisch und vermessungstechnisch erfaßt und an Ort und Stelle belassen.

 

Chemie: Auffällig ist die starke Korrosion vieler Makkaronis. Höchstwahrscheinlich ist dies die Folge des Gebrauchs von Streusalz auf der darüberliegenden Straße (siehe Bild 2). Ausführliche Analysenbefunde sind dem Anhang zu entnehmen.

 

Geologie: Die Höhle befindet sich im gebankten ki 2 (Mittelkimmeridgium), und damit nach der früheren Bezeichnung in den unteren dickbankigen . Charakteristisch für diese3Felsenkalken des Weißjura δ Gesteinsformation ist das gehäufte Auftreten von Kieselknollen, wie sie auch überall an der Höhlendecke zu sehen sind.

Das Meer der Weißjurazeit vor rund 60 Millionen Jahren war ein Randausläufer der „Thetys“ und stand mit dem französischen und damit auch dem nordwesteuropäischen Jura in Verbindung. Die Kalke und Mergel des Weißen Juras sind als Sedimente eines Schelfmeeres anzusehen, das eine Temperatur von 19-23°C hatte und durch das Auftreten von Korallenriffen allmählich auf eine Tiefe von etwa 100 m verflachte.

 

Die Hülbener Tropfsteinhöhle enthält im bodennahen Bereich (Überdeckung ~ 2,5 m) sehr viele Sinterbildungen (siehe Bilder 3+4), die an manchen Stellen noch im Entstehungsstadium sind, während ab einer Tiefe von 5m keine Kalkkonkretionen mehr vorzufinden sind. Druckröhren, Fließfacetten oder dergleichen sind nirgends zu finden, dagegen Versturz und Decken im Kastenprofil. Intakter Fels ist kaum anzutreffen, vermutlich liegt die Ursache nicht zuletzt im benachbarten Steinbruch, der bis vor kurzem noch in Betrieb war. Die Deckenverstürze haben eine Mächtigkeit von teilweise über 5 m und lassen ein darunterliegendes, ehemals aktives System vermuten, was die Theorie des bekannten Höhlentauchers Jochen Hasenmeyer über ein gigantisches Höhlensystems unter der Albtafel bestätigen würde.

Nicht auszuschließen ist, daß es sich in diesem Fall um einen Seitengang der „Falkensteiner Großhöhle“ handeln könnte. Der jetzige Hohlraum entstand dadurch, daß eben dieser Gang an einer Stelle einbrach und die darüberliegenden Gesteinsschichten „durchgepaust“ wurden. Die alten Höhlendecken bilden den Boden des Tropfsteinberges und sind seitlich noch deutlich an ihrer zwiebelschalenartigen Struktur zu erkennen. Der Boden wird deshalb aus einer Abfolge von Wechsellagen aus Sinterbildungen und „gewachsenem“ Fels gebildet. Senkrechte Wände (sogenannte „Harnischflächen“) als Folge der Absackung schließen die Höhle nach NW und SO ab.

 

 

Beschreibung: Nach dem Einstieg in den knapp 5 m tiefen Kanalschacht erreicht man die Tropfsteinhalle mit einer maximalen Höhe von 2,1 m und einer Grundfläche von über 150 m². Allerdings erscheint sie kleiner, da der überwiegende Teil nur eine Raumhöhe von 0,5 bis 0,8 m besitzt. Links neben dem Eingang führt eine (noch auszugrabende) Kluft mit 30° Gefälle nach SO in Richtung der „Steinbruchhöhle Hülben“, die mit einem Felsblock verschlossen ist und im Charakter der Tropfsteinhöhle ähnelt. Sie besteht im wesentlichen aus einem großen kastenförmigen Raum ohne Sinterschmuck. Eine vor dem Krieg betriebene Kalkbrennerei leitete Abwässer in die Höhle ein, die eine 30 cm tiefe Kalkschlammschicht hinterließen. Rechts neben dem Eingangsschacht der Tropfsteinhöhle befindet sich eine Schutthalde, an die sich nach etwa 3 m eine Mineralbetonhalde anschließt.Dieses Füllmaterial stammt von dem ge-lungenen Versuch des Straßenbauunternehmens, den „alten“ Eingang zu verfüllen und mit einer Betonplatte den Straßenunterbau zu befestigen. (Mineralbeton ist übrigens entgegen seinem Namen keine Konkretion, sondern ein abgestuftes Gemisch aus ge-brochenem Kalkstein, ein Kies-Sand-Gemisch mit einem Korndurchmesser zwischen 0-32 mm auf hydraulischer Basis ohne Bindemittel.) Gegenüber dem Eingang befindet sich der Tropfsteinberg mit über 100 Bodentropfsteinen (Bilder 3+4), die bis 1m hoch sind und von denen innerhalb von 5 Tagen 1/4 bis 1/3 von Unbekannten abgeschlagen, mitgenommen oder liegengelassen wurden An der Decke befinden sich mehrere hundert Makkaronis und Stalaktiten. Einige davon sind wieder stark korrodiert (Bild 2). 13 m vom Einstieg entfernt beginnt der Horrorschacht, ein knapp 6m tiefer Abstieg in die 10 m hohe abgerundete Halle, das sogenannte „1.Untergeschoß“. Der Name "Horrorschacht" kommt vom halsbrecherischen Abstieg ins 1.UG. Hierhin gelangt man nur über einen 1 m langen und 0,5-0,4 m dünnen zusammengebackenen Vorsprung. Dieser hat seit einiger Zeit eine Sollbruchstelle mit einem „durchschaubaren“ breiten durchgehenden Riß. Ein Abstieg an anderer Stelle ist erst recht nicht möglich, denn überall ist der Fels so zerrüttet, daß an das Setzen eines Felsdübels aus Sicherheitsgründen nicht zu denken ist. Stellenweise ist der vermeintlich massive Fels zu festem Lehm verwittert. Im 1.UG ab etwa 10m Tiefe ändert sich nun das Aussehen der Höhle völlig: es gibt keinen Sinter, der Grund ist mit meterdickem Versturz bedeckt. Oberhalb des weiteren Abstiegs gelangt man in eine kleine Kammer und über eine Engstelle in den rechten Teil des 2.UG in 17 m Tiefe unter Eingangsniveau.

Der Boden ist mit Versturz bedeckt, intakter Fels ist nur auf der linken Gangseite zu finden. Dieser Teil wurde bei der Vermessung wiederentdeckt und anhand eines "Stoimännles" wurde klar, daß wir vor 5 1/2 Jahren schon einmal dort waren und den Nebenraum damals „Nürtinger Halle“ getauft hatten. Sie schließt nach NO mit einer senkrechten Wand ab. Diese bildet die Gleitfläche des abgesackten Höhlenbodens (sogenannte „Harnischfläche“). Befährt man den linken Zweig des 2.UG, so kommt man in eine 11 m lange und bis zu 4 m breite Halle, deren linker Teil vollkommen mit Versturz gefüllt ist (vermutlich derselbe, der im 1. UG den Boden bildet). An einer Stelle (siehe Plan) ermöglicht ein kleiner Schluf einen weiteren nicht ungefährlichen Abstieg im lockeren Versturz auf -20 m. Dort sieht man zwischen den Blöcken eine Fortsetzung nach SO in Richtung der „Steinbruchhöhle Hülben“. Allerdings ist es nicht möglich, diesen Bereich zu erreichen.

 

Geschichtliches: Die Hülbener Tropfsteinhöhle wurde beim Ausbau der Steige von Urach nach Hülben am 19.September 1978 durch den Einbruch eines Baggers gegen-über dem Gebäude Uracher Straße 5 entdeckt. Mit einer Leiter gelangten Straßenbauarbeiter und Neugierige in den oberen Teil der Höhle, deren Einstieg fast in Straßenachse lag. Auch ein Geologe wurde eingesetzt. Das Landratsamt Reutlingen veranlaßte daraufhin die Ausweisung der Höhle als Naturdenkmal. Am 21.September erfuhr der damalige Vorstand der „Höhlenforschungsgruppe Nürtingen“, Rainer Hoss, zum ersten Mal etwas über die Höhle, was Anlaß zu einer sofortigen Notfallbefahrung durch einige Gruppenmitglieder gab, die am Abend begannn und bis in den frühen Morgen andauerte. Leider war trotz der kurzen Zeit, in der die Höhle offen stand, schon ein großer Teil der Bodentropfsteine abgeschlagen und wir beschränkten uns darauf, soviel wie möglich fotografisch für die Nachwelt zu dokumentieren, denn das weitere Schicksal der Höhle war gänzlich ins Dunkel gehüllt. Bereits am nächsten Tag wurde der Eingang mit einem Felsbrocken verschlossen, in Mineralbeton in die Öffnung gefüllt der darauffolgenden Woche rund 30 m³ und der Einstieg vermutlich durch eine Betonplatte plombiert. Im Oktober nahm die hfgn Kontakt mit dem dama-ligen Hülbener Bürgermeister, Herrn Herter auf, der sich von Anfang an stark für das Projekt engagierte. Es ging darum, die sehenswerte Höhle wieder für Besucher zu öffnen. Jedoch war dies über den alten Eingang nicht mehr möglich, da er mitten in der Straße lag. Allerdings hatten wir damals in der Tropfsteinhalle einen Schuttberg bemerkt und hofften, an dieser Stelle wieder in die Höhle gelangen zu können.

 

Im August 1979 hatten wir die Möglichkeit, an eine tragbare Rammsonde mit 30 kg Fallgewicht zu kommen, mit der wir den betreffenden Bereich in einem eng gesteckten Raster penetrierten und schon nach wenigen Stunden fündig wurden. Auf einer Fläche von 1 m² war die Festigkeit des Untergrundes relativ gering, was auf eine lockere Schuttschicht schließen ließ. Zum Teil brach die Sonde auch in den Hohlraum ein. Der neue Zugang war entdeckt! Allerdings sollten noch einmal 18 Monate vergehen, bis endlich mit den Arbeiten begonnen werden konnte. Wir hatten dabei die Unterstützung der Gemeinde Hülben, insbesondere wieder die des Bürgermeisters Herrn Herter, ohne deren Hilfe die Arbeiten für uns nicht finanzierbar gewesen wären. Am 9. März 198l war es dann soweit: Zusammen mit dem Bauunternehmer Kuder begannen wir mit den Ausschachtungsarbeiten. Die Spannung stieg mit jedem Meter, den sich der Bagger nach unten grub und löste sich erst, als wir in 5m Tiefe die Tropfsteinhalle anschnitten. Die Freude war natürlich riesengroß! Mit Preßlufthämmern begannen wir, den Schacht auf die nötigen Abmessungen zu erweitern, um die Brunnenringe am darauffolgenden Tag einsetzen zu können. Leider verletzte sich aber ein Arbeiter kurz vor Abschluß der Arbeiten so stark, daß er ins Krankenhaus nach Urach und später nach Tübingen gebracht werden mußte. Dank seiner Zähigkeit, die von uns bewundert wurde, erholte er sich relativ rasch und erfreute sich wieder bester Gesundheit. Trotz des Unfalls, der einen Schatten auf das Unternehmen warf, konnte die Höhle noch am selben Tag und bereits am Mittwoch die restlichen Arbeiten abgeschlossen werden. Beteiligt waren von der Höhlenforschungsgruppe Nürtingen: Andreas Gut, Rainer Hoss, Siegfried Schade, Siegfried Radtke, Thomas Sterr und Uwe Eisner.